Runners vs. Joggers

Der Unterschied zwischen „Läufern“ und „Joggern“ besteht in vielen Merkmalen, hauptsächlich jedoch unterscheiden sich die beiden Lauftypen dadurch, dass „Läufer“ den Laufsport etwas ernster nehmen als „Jogger“.

Die Frage ist ja zunächst, warum nennt man Menschen, die laufen, „Jogger“? Für das Laufen gibt es ein deutsches Wort und das heißt „Laufen“, es beschreibt die Fortbewegung, die in ihrer Ausführung anders aussieht als das Gehen. „Joggen“ hingegen ist aus dem Englischen an das Deutsche angepasst. Jedoch heißt „to jog“: „in einem langsamen Trott laufen“ oder „in einer langsamen, gemütlichen oder monoten Geschwindigkeit laufen“.

Wenn ich laufen gehe, dann tue ich also eines auf keinen Fall, und zwar das, was das englische Wörterbuch als „to jog“ und das Eingedeutschte als „joggen“ bezeichnet. Ich jogge eigentlich niemals – außer zur Erholung zwischen den schnellen Trainings-Intervallen auf einer Laufbahn – sondern ich laufe.

Ein Unterschiedsmerkmal ist die Motivation, mit der man rausgeht, um Sport zu treiben, also um zu laufen. Jogger gehen laufen, um fit zu bleiben, gesund zu bleiben, abzunehmen, Spaß zu haben, sich gut zu fühlen oder „den Kopf frei zu kriegen“. Läufer gehen raus, um sich weiter auf den nächsten Wettkampf vorzubereiten oder eine geplante Laufeinheit in einer bestimmten Zeit oder mit bestimmtem Umfang durchzuführen.

Läufer haben als Ziele also Wettkämpfe. Jeder Wettkampf bedeutet ein neues Ziel, sei es, die Zeit zu verbessern oder die Art des Wettkampfs (5000m, 10000m, HM, Marathon, Triathlon) zu variieren. Zu den Zielen von Joggern kann ich nicht viel sagen. Nur soviel, dass die Ziele „Abnehmen“, „Spaß haben“ oder „Kopf frei kriegen“ als Ziele nicht taugen, eher vorübergehende Motivatoren sind. Je nach Jahreszeit, wenn der Spaßfaktor oder die verfügbare Zeit abnehmen, sieht der Umfang der gelaufenen Kilometer dann so aus:

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Die, die wirklich Spaß haben, sind die Läufer, nicht die Jogger. Die, die abnehmen, sind die Läufer. Sie sind gesund und fühlen sich gut. Sie betreiben nämlich einen Sport, den sie lieben und nicht weil sie ihn für Ziele benutzen, die man auch anders erreichen kann. Das heißt nicht, dass die Ziele Gesundbleiben und Spaßhaben oder Kopf-frei-kriegen keine guten Zielsetzungen sind. Aber es sind für einen Sportler einfach zu erreichende Ziele, z.B. durch Ernährung, Austausch mit Vereinskollegen und Freunden. Ich brauche doch nicht viel, um mich gut zu fühlen, schon gar nicht einen Lauf morgens um fünf vor der Arbeit, in der Mittagspause um das Bürogebäude herum oder abends bei 2 Grad Nieselregen. Als Läufer benötige ich ein wirklich ernst zu nehmendes Ziel: 60 Kilometer die Woche, aufgeteilt in 5 Einheiten, strukturiert nach Ausdauer, Tempo, Intervallen, Wiederholungen, Technikübungen und Regeneration. Danach evaluiere ich den Fortschritt und fange in der nächsten Woche von vorne an. Dann kommt der Tag des Wettkampfes, auf den ich mich wochenlang freue, weil ich Sportler aus Leidenschaft bin und einem Verein zugehöre. Und nach dem Wettkampf ist dann wieder vor dem nächsten Wettkampf. Und es gibt sie das ganze Jahr über.

Und dann gibt es diese verschiedenen Whatsapp-, Facebook- und Messenger-Gruppen, wo man sich zu Laufgruppen organisiert und gemeinsamen Läufen verabredet. Da schreiben dann diverse Leute am Wochenende des 03. Dezembers, ob jemand Lust auf einen gemeinsamen Lauf hat. Auf den Hinweis, dass am Samstagmorgen um 10 Uhr der Nikolauslauf des ALV Mainz stattfindet und man sich dort treffen könnte, kommen dann Antworten wie: „Ist mir zu spät/zu früh.“ „Ist mir zu kalt/zu warm/ zu sonnig.“ „Was kostet das?“ Und so weiter und so fort. Dafür habe ich kein Verständnis, das macht mich sogar wütend und ich will mit diesen Leuten ehrlich gesagt nicht meinen Sport ausüben. Und zwar deswegen, weil ich als Athlet meinen Sport unterstütze. Ich unterstütze die Vereine, die den Sport pflegen, ich unterstütze die Arbeit der Ehrenamtlichen, die Veranstaltungen planen und durchführen, und vor allem ist es das Größte, mich mit vielen Gleichgesinnten zu treffen und zu messen. Bei so einem 10- oder 12K-Lauf sind nur Leute, die richtig Spaß am Laufen haben und den Sport lieben. Was die anderen denken, weiß ich nicht. Ist mir egal, ich habe diese Messenger-Gruppen verlassen.
Vielleicht war es in einer der Spiegel-Kolumnen von Achim Achilles, von dem auch die Idee zur oben dargestellten Grafik stammt, als ich das erste Mal über den Unterschied, falls es ihn gibt, zwischen „Läufern“ und „Joggern“ nachdachte. Die Frage habe ich für mich selbst bereits beantwortet: Ich bin ein Läufer. Ich habe ein Trainingsprogramm, einen konkreten Plan und Ziele. Ich nehme an vielen verschiedenen Rennen teil, weil es entweder zum Training dazugehört oder weil ich mich speziell auf diesen Wettbewerb vorbereite. Und zwar nicht wegen seines „Event-Charakters“.

Oft heißt es, das schöne am Laufen ist ja, dass man kaum etwas benötigt für dessen Ausübung. T-Shirt, bequeme, leichte Hose oder kurze Hose, Socken, Schuhe. Alles hat man bereits daheim, und wenn man auf die Zeichen des Körpers hört (Knieschmerzen, Krämpfe, Erkältung), dann reicht diese Grundausrüstung absolut aus. Langfristig sollte man natürlich noch zur Verbesserung des Laufgefühls, des Schutzes vor langfristigen Verletzungen und der Verbesserung des Laufstils die für den individuellen Fuß passenden Schuhe anschaffen (Stabilität, Pronation, Sprengung). Dies gilt für den Jogger.
Ein Läufer dagegen benötigt Ausrüstung. Im Gegensatz zu den Läufern, welche man eben Jogger nennt, benötigt der Läufer die Ausrüstung nicht für ein Fashion-Statement, sondern wegen der Funktion. Nicht zur Motivation, sondern zur Analyse. Nicht allein wegen der Gesundheit, sondern für die Geschwindigkeit und Ausdauer.
Als Läufer, der einen Trainingsplan verfolgt mit dem Ziel, bald an einem oder mehreren Rennen teilzunehmen, trainiere ich über 50 – 80 Kilometer pro Woche, 80-120 Kilometer während dem Urlaub. Dazu benötige ich 4 bis 5 Paar Schuhe gleichzeitig. Ich benötige Lightweight-Schuhe, die mag ich am liebsten. Stabile Schuhe für Waldläufe und Trails. Renn- und Wettkampfschuhe für lange und schnelle Läufe auf Asphalt und bei offiziellen Rennen. Diese Schuhe nutzen sich im Durchschnitt alle 6 Monate stark ab. Außerdem belastet und schützt der tägliche Wechsel von Schuhmodellen verschiedene Muskeln und Gelenke. Wenn ich Laufschuhe kaufen gehe, dann ist mir vollkommen klar, welches Modell ich kaufen werde. Ich gehe in das Laufsport-Geschäft und suche genau nach diesem einen Schuh. Ich kenne meine Größe, schlüpfe sicherheitshalber kurz rein. Der Verkäufer kann sich seine Tipps sparen, außer er läuft dieselben Umfänge und Distanzen wie ich, holt den zweiten Schuh, wir gehen zur Kasse, fertig. Dauert 5 Minuten. Nicht einmal habe ich auf Design und Aussehen geachtet, pink, neon, schwarz, weiß, mir alles egal. Nach einer Woche sind sie dreckig, nach mehreren Wochen ist das Obermaterial aufgerissen. Ich benötige keine besondere Sprengung, welche das Fußabrollen unterstützt. Ich habe eine ganz normale, natürliche Pronation und möchte diese weder eindämmen, noch besonders unterstützen. Alles gut. Ein Jogger würde einen Stabilitätsschuh vom Fachverkäufer empfohlen kriegen, denn bei ihm ist die (Über-) Pronation ein Problem wegen seines unsauberen Laufstils und seines Gewichts, dass auf die Gelenke und Knie drückt. Was nicht heißt, dass Läufer nicht auch stabilisierende und korrektive Schuhe brauchen. Nur werden sie das genau wissen und ebenfalls zielstrebig nach bestimmten Modellen suchen.

Bei der Laufbekleidung achte ich darauf, dass sie nicht zu albern aussieht. Ansonsten trage ich die Funktionsshirts, welche ich bei den Volksläufen meist umsonst erhalte. Davon habe ich regelmäßig zehn im Schrank, das würde 10 Jahre reichen. Ich habe ein Paar Tights und eine bequeme „Jogginghose“. An neun Monaten des Jahres laufe ich in kurzer Hose. Ich habe eine wärmere Funktionsjacke und eine Regenjacke. Die billigsten Laufsocken kosten 15 Euro, aber bei vielen Laufveranstaltungen sieht man Thrombose-Kniestrümpfe für 60 Euro. Wem’s hilft. All diese Klamotten sind alt, ausgewaschen und funktionieren. Ich laufe so schnell an den Leuten vorbei, niemand könnte mein Outfit näher begutachten. Die Jogger, die ich überhole, sind, an ihrer Kleidung nach zu urteilen, mit dem Vorhaben aus dem Haus gegangen, heute noch mehrere Klimazonen zu durchqueren. Die Ausrüstung, die man so sieht, erklärt den Erfolg vieler Lauf-Läden, denen ich ihren Erfolg von Herzen gönne, denn sie sponsorn und unterstützen den Sport, organisieren Lauf-Veranstaltungen. Aber bis zu 90 Minuten Dauerlauf benötigt man kein Getränk, schon gar kein isotonisches oder proteinhaltiges. Die Getränkebehälter und die mit Riegel und ekligen Gels vollgepackten Taschen stören mich enorm in meiner Laufbewegung und ich kann mein Tempo oder meine Temposteigerungen nicht durchziehen. Der Unterschied aber ist, ich gehe nicht laufen, um an der frischen Luft zu sein, das bin ich jeden Tag des Jahres. Ich will auch nicht eine halbe Stunde oder Stunde abschalten. Sondern ich trainiere. Oder ich unterhalte mich mit meinen Lauftreff-Kollegen. Ich benötige keine Unterhaltung, Motivation oder Unterstützung. Ich laufe einfach so. Allerdings benötige ich funktionale Kleidung. Zum Beispiel, wenn ich, mangels Zeit durch Job, morgens um sechs oder abends um zehn nach draußen gehe und es dort 0,5-Grad-Nieselregen-Wetter gibt. Ich benötige auch an fast vier Monaten im Jahr eine Stirnlampe. Vor allem wegen den Hunden, damit deren Besitzer mich rechtzeitig sehen.

Etwas Unterhaltung brauche ich dann doch. Ich höre viele unterschiedliche Podcasts und erstelle mir Playlisten. Vor allem, wenn ich im Dunkeln laufe oder einen 30-Kilometer-Lauf mache, nutze ich diese Zeit, um Infos zu den Themen zu erhalten, die mich interessieren.

Und die Motivation kommt durch die penible Leistungsanalyse. Dafür brauche ich eine GPS-Uhr. Es gibt zwar bessere Uhren und Internet-Plattformen als #nikeplus, doch bereite ich meine Laufstrecken und Zeiten in Excel und im Blog auf und benötige keinen Trainer.

Als ich mit meinem Neffen in Washington D.C. mit dem Fahrrad auf dem 25 km langen Radweg von der Suburb in die Innenstadt gefahren (und gelaufen) bin, animierte ich ihn zu dem Spiel, die entgegenkommenden, sehr zahlreichen Ausdauersportler in Läufer und Jogger einzuschätzen. Bei manchem war es schnell klar ersichtlich, bei anderen war es reine Spekulation, und so ließen wir es schnell wieder sein.

Mein Trainer beim VfL Herrenberg Lauftreff sagte zu mir, scherzhaft oder nicht: „40 Minuten für 10 Kilometer ist die Läufer / Jogger – Grenze.“ Das sagte er mir, nachdem ich 2015 zwei Mal an dieser Grenze gescheitert war (42 Min. im Frühjahr, 40:25 Minuten im Dezember).

Somit ist die Frage nach der Abgrenzung weiter unbeantwortet. Wo man die Grenze zieht, ist unklar. Mir ist aber der Sport an sich wichtig. Ich liebe diesen Sport. Und ich laufe, weil diese Zeit die schönste am Tag ist. Ich messe mich auch mit niemandem, weder modisch noch bezüglich meiner Leistung. Ich bin so gut, wie es meinen Lebensumständen entsprechend geht.

Und das denken sich vermutlich viele Läufer und Jogger. Alle Läufer denken so, aber nicht alle Jogger.

jochenkr

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