Jetzt ist er vorüber, der Marathon in Mainz, bei dem ich jedes Jahr mitlaufe, nunmehr 4 mal hintereinander und 2004 das erste Mal. Und nun geht es mir wie allen Marathonläufern: Es fühlt sich an, wie in einem Loch. Das war’s nun? Das Ergebnis von 7 Monaten Training? Hat sich das Opfer dieser langen Zeit gelohnt? Was kommt als nächstes? Ist es gut gelaufen oder stellt sich die Frage nach dem Sinn des Ganzen?
Der Mainzer Marathon am 2. Sonntag im Mai ist einer der Läufe, die ganz früh in der Laufsaison stattfinden. Das heißt viel und hartes Training in den kalten, dunklen Wintertagen. Doch dieses Jahr war ein milder Winter. Es gab Schnee und Eis, ja, aber es gab noch mehr blauen Himmel und trockene, kalte, frische Luft.
Meine Vorbereitung startete im November mit der Vorbereitung auf den Tübinger Nikolaus-Lauf Halbmarathon (am 06.12.2014; Zeit 01:40:17). Bis Ende 2014 habe ich viele Kilometer gesammelt, um eine exzellente Grundlage für das auf den Marathon fokussierte Training zu schaffen.
Am 03. Januar startete ich mit meinem selbst erstellten Trainingsplan. Nach Jahren des Trainings und einer gewissen Erfahrung über dessen, was für mich gut ist, was für meine Lebenssituation möglich ist, ignorierte ich all die Dutzende von Experten-Plänen, welche überall gratis verfügbar sind. Ich beschloss, nicht mehr als 50 Kilometer oder 3 mal die Woche zu laufen und stattdessen meinem Körper mehr Zeit für Regeneration und Ruhe zu lassen. Zudem konzentrierte ich mich ganz stark auf die Ernährung und die Zubereitung von Mahlzeiten aus äußerst gesunden, nährstoffreichen und hochwertigen Lebensmitteln. Das Kochen würde daher viel Zeit in Anspruch nehmen. Ebenso wie die Regeneration und Entspannung der Muskeln und Gelenke durch Yoga. Der dritte wichtige Bestandteil des Trainingsplans sollte das Cross-Training sein, bestehend aus eben jenem Yoga für die Stabilität des Beckens, des Rückens, des Rumpfes und der Sehnen. Außerdem begann ich, 2 bis 3 mal die Woche zu schwimmen. Später kamen Radtouren, ABC-Lauftraining, Bahntraining und Kraftübungen hinzu.
Außerdem erfuhr ich große Motivation, Unterstützung und die verlässlichen Lauftermine durch den Lauftreff des VfL Herrenberg. Einen Großteil der Ausdauer-Grundlage gewann ich 2 mal die Woche mit den top-fitten Mädels und Jungs auf den Straßen, Feld- und Waldwegen in und um Herrenberg.
Diesen Plan erfüllte ich vier Monate lang, von Januar bis April, diszipliniert und sehr erfolgreich: Keine Verletzungen, vor Energie und Kraft strotzend war ich bereit für den Marathon. Doch ein Rest Unsicherheit blieb, denn beim Marathon weiß man nie, was passiert.
Am Samstagmorgen vor dem großen Lauf fuhr ich mit dem Zug von Herrenberg nach Mainz, checkte im Hotel ein, ging in die Rheingoldhalle für die Startunterlagen und die Pasta-Party. Weiter ging’s zum Mainzer Marktfrühstück mit Weck, Fleischworscht und Traubensaft. Ein traumhaft sonniger Tag wurde mit einem leichten Abendessen abgerundet und nach der Dämmerung ab ins Hotel und Yoga vor dem Schlafen. Am nächsten Morgen um sechs Uhr, 3 Stunden vor dem Start, aufgestanden und gefrühstückt. Mein Frühstück: eingeweichtes Chia mit Joghurt. Danach Unmengen Wasser getrunken. Diese Mahlzeit sollte die letzte für mich sein vor 15 Uhr nachmittags – kein Müsli- oder Energieriegel, kein Gel oder sonstige künstliche Kohlenhydrate. Nichts vor, während oder nach dem Lauf. Noch nicht einmal eine Banane oder einen Energiedrink.
Am Start war ich hypernervös und 20 Sekunden nach dem Start musste ich pinkeln. Aber dann ging’s los mit 04:10 – 04:20 – Laufschritt (Minuten pro Kilometer = ca. 12-13 km/h), getragen von der unglaublich, außergewöhnlich, typisch mainzerisch guten Stimmung. Bis zur Halbmarathon-Marke, also die komplette Strecke durch die Stadt, die es zwei Mal zu laufen gilt, gleichmäßig 04:40 gelaufen. Halbmarathon in 01 Stunde 37 Minuten. Ich fühlte mich topfit und sehr, sehr gut. Ich spürte, dass heute ein besonderer Tag ist. Ich hatte meinen Race-Plan lange aufgegeben und die Worte meinens Lauftreff-Kollegen im Ohr: „Du brauchst einen Plan B. Falls du schneller läufst.“ Den hatte ich natürlich nicht, denn damit hätte ich nie gerechnet, sehr viel schneller als 3 Stunden 30 zu laufen. Jetzt waren 03:10 oder 03:15 drin. Ich wurde zwar nervös ob meines Tempos, fühlte mich aber unbesiegbar.
Bereits nach 8 Kilometern in der Mainzer Neustadt sprach ich eine Läuferin an, die auf mich einen sehr guten Eindruck machte. Es ist doch sehr verlockend, das Rennen zu zweit oder in einer kleinen Gruppe zu bestreiten. Vor allem habe ich keinen einzigen Pace-Maker jemals gesehen. Sie war sehr entspannt, genauso wie ich und wir einigten uns auf das Tempo von 04:40 und peilten die 3 Stunden 15 an. Doch auf der zweiten Runde kam bei ihr der Einbruch und so wurde aus dem Ego-Trip „Persönliche Bestmarke“ ein Teamsport. Wir liefen und gingen abwechselnd zusammen durch Kostheim, Rheinallee, Mombach und Neustadt, bis ich, 5 Kilometer vor Schluss mich alleine absetzte und zum Endspurt, im wahrsten Sinne, loslegte. Dieser Spurt im Tempo 03:50 bis 04:00 fiel mir überraschend leicht, die Ziellinie überquerte ich nach 03:27:00 und war überglücklich und entspannt wie nie zuvor. Zwei Gläser Apfelschorle, zwei Gläser Hefeweizen alkoholfrei und der Tag konnte normal weitergehen.
Meine Renn-Partnerin Rebecca wurde schnellste Mainzerin und durfte als Stadtmeisterin zur Siegerehrung. Sie ist nur 2 Minuten nach mir ins Ziel gekommen. Ein großartiger Marathon in Mainz.
Ich habe mich selbst beeindruckt an diesem Tag. Mein komplettes Training hat funktioniert: Bestens mit Nährstoffen versorgt, entspannte und gestärkte Muskeln, Ausdauer ohne Ende.
Den nächsten Marathon im September laufe ich unter 03:15 Stunden. Ganz sicher. Das macht mich noch nicht mal nervös.
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